Unser Büro setzt sich seit nunmehr rund dreißig Jahren mit dem Thema des nachhaltigen Bauens auseinander. Zu Beginn lag der Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit eindeutig bei Fragen des Energieeinsatzes. Wir haben versucht, mit passiven und aktiven Maßnahmen den Verbrauch von Strom, Wärme und Kälte in unseren Projekten so weit wie möglich zu reduzieren, da wir (zu Recht) davon ausgehen mussten, dass die eingesetzte Energie aus fossilen Quellen kommen würde. Diese Bemühungen waren 1990 tatsächlich neu, fanden aber relativ schnell Verbreitung, da sich der Energieverbrauch ja auch in barer Münze niederschlägt und es für jeden Bauherrn leicht nachvollziehbar und erstrebenswert ist, etwas mehr Geld zu Beginn eines Vorhabens auszugeben, wenn es dadurch gelingt, die laufenden Kosten langfristig zu reduzieren. Ich könnte Ihnen nun von den Schwierigkeiten erzählen, die avisierten und errechneten Verbrauchszahlen tatsächlich auch zu erreichen, von schwacher Technologie, verknoteten Schnittstellen, schlampigem Monitoring und vor allem auch von unvorhergesehenem Nutzerverhalten – alles Phänomene, die das gut gemeinte Unterfangen immer wieder in Frage stellten. Dazu kam, dass unsere Einsparziele schnell von der offiziellen Gesetzgebung eingeholt wurden und das Niveau des Energieverbrauchs in Gebäuden auf Grund konsekutiver Generationen der ENEV weiter und weiter sank. Das hatte auch damit zu tun, dass es mehr und mehr möglich wurde, erneuerbare Energien zu erschließen oder unsere Häuser aus Kraft/Wärme-Kopplungssystemen quasi halb-neutral zu beliefern.

Durch diese Verschiebungen veränderte sich auch der Schwerpunkt unserer Überlegungen. Der Wendepunkt in dieser Entwicklung kam für uns mit einem Umbau eines bestehenden Bürogebäudes in München. Ein Verwaltungsbau, den Siemens Nixdorf in den 1980er Jahren als ein frühes Rechenzentrum gebaut hatte, sollte zu Arbeitsplätzen in der Versicherungsbranche umgewandelt werden. Der Bauherr hat in diesem Fall auf über die ENEV hinausgehende Energieeinspar-Maßnahmen verzichtet, hat sich aber darauf eingelassen, das Bestandsgebäude umzubauen anstatt es abzureißen. So bestanden die Rohbauarbeiten nur aus einigen minimalen Abrissmaßnahmen und in geringfügigem Maße aus ergänzendem Neubau an einigen Stellen (aber mehr im Sinne der Ertüchtigung bestehender Konstruktionen). Darüber hinaus wurden aber immer noch die Fassaden und alle haustechnischen Systeme sowie der ganze Innenausbau erneuert. Der große Aha-Effekt kam, als wir unsere Fachberater darum baten, für uns auszurechnen, wie groß die Einsparung an CO2 denn sei, die durch das Upcycling des bestehenden Rohbaus erzielt wurde. Das Ergebnis hat uns überrascht, denn die Ingenieure von Werner Sobek haben errechnet, dass durch den Erhalt des Rohbaus im Vergleich zu einem Neubau Energie- bzw. CO2-Mengen in einer Größenordnung eingespart wurden, die der Beheizung des gesamten Hauses über 34 Jahre entsprächen. Dies ist ein erhebliches Ergebnis, das wir quasi durch gezieltes Nichtstun erreichen, und wenn man noch hinzurechnet, dass bei einem Neubau evtl. besondere Maßnahmen zur erhöhten Nachhaltigkeit zusätzlich in die Energiebilanz auf der Negativseite einfließen würden, relativiert sich das besondere Engagement für die Reduktion der „roten“ Betriebsenergie noch stärker zugunsten der Betrachtung der „grauen“ Energie, die in den verbauten Baumaterialien schlummert. Auch hier haben wir gegenüber der Neubauvariante einen spürbaren wirtschaftlichen Vorteil errechnet, der allerdings wesentlich von der Tatsache begünstigt war, dass unsere Bauherren zu einem bestimmten Zeitpunkt umziehen mussten und die Recyclingvariante einen erheblichen Zeitvorteil mit sich brachte.

Ansonsten ist der Zusammenhang von Ökologie und Ökonomie beim Umbau für den Auftraggeber nicht mehr so unmittelbar in Euro in der eigenen Kasse nachvollziehbar, aber es gibt durchaus Bauherren, die auch die größeren Zusammenhänge im Auge haben, Rückversicherer gehören dazu. Für uns als Planer war dies eine Schlüsselerfahrung, und im Zusammenhang mit dem Thema des Konvents „Erbe – Bestand – Zukunft“ wäre die Frage interessant, was diese Erfahrung für unser Denken und unsere Planungsschwerpunkte bedeutet, einmal vorausgesetzt, dass sie auch übertragbar ist?

Für uns ist damit zunächst einmal „nur“ eine Verlagerung der Aufmerksamkeit eben in Richtung grauer Energie verbunden, und wir haben uns deshalb in letzter Zeit verstärkt mit dem CO2-negativen Baumaterial Holz und auch mit Lehm auseinandergesetzt. Wir erforschen Techniken der Vorfertigung wegen ihrer großen baulogistischen Vorteile und streben nach sortenreinen Bauelementen und Verbindungsmitteln. Aber vor allem haben wir eine neue Wertschätzung vorhandener Bausubstanz entdeckt, auch gerade gegenüber den Produkten der vorhergehenden Generationen, von denen man sich vielleicht schon aus biographischen Gründen am stärksten unterscheiden möchte.

Dabei besteht kein Anlass, sich von den vorherigen, im Rückblick vielleicht etwas optimistischen Lösungsversuchen in Sachen Energieverbrauch distanzieren zu müssen; im Gegenteil, die Bemühungen um geringere Verbräuche haben durchaus Erfolg gehabt, wenn man betrachtet, in welcher Geschwindigkeit die Baugesetzgebung in den letzten Dekaden angepasst worden ist. Aber angesichts der landauf landab entstehenden Wärmedämmverbundfassaden ist es auch offensichtlich, dass dieses Kapitel architektonisch noch in keiner Weise abgeschlossen ist. Man würde sich ja wünschen, dass wir mit der gesteigerten energetischen Performance von Häusern für die Stadt und Allgemeinheit auch einen gesteigerten ästhetischen Wert dazu entwickeln würden.

Es bedarf also neben der Schärfung des Bewusstseins für den Lebenszyklus von Materialien auch einer erhöhter Innovationsbereitschaft, eines kreativen Erfindergeistes, um aus den oft widersprüchlichen Randbedingungen zeitgenössischer Bautechniken und Bausystemen ein Ganzes zu synthetisieren, das einen positiven Beitrag zur Stadt leistet.

Dies insbesondere weil die etwas enttäuschende Bilanz der „energetischen Ertüchtigung“ von Alt- und Neubauvorhaben paradoxerweise auch unter Architekten den grundsätzlichen Fortschrittszweiflern Argumente zu liefern scheint. Die im Augenblick überall grassierende Furcht vor dem Neuen führt dann zur Idealisierung historischer Bauweisen und zynischer Häme für die kreativen Bemühungen vieler Akteure unserer Zunft. So manövrieren die Architekten sich selbst in die Defensive und dokumentieren lediglich, dass auch sie – vor allem verglichen mit unseren Vorgängergenerationen – den Mut und die Lust an der Zukunft verloren zu haben scheinen. 

Es ist kein Zufall, dass in diesem Zusammenhang auch der Begriff der Heimat plötzlich eine Renaissance erlebt und dies auch im Zusammenhang mit dem Bauen. Denn wenngleich unser Minister ja seit seiner Amtseinführung mit anderen Fragen als dem Bauen beschäftigt gewesen zu sein scheint, wurde allein mit der Umbenennung des Ministeriums ein Zeichen gesetzt. Was mal ein Bauministerium war, ist auf dem Umweg über den Verkehr und die Umwelt/Reaktorsicherheit nun bei einem Ministerium des Innern, für Bau und Heimat angekommen. Was heißt das, wenn ein Ministerium die Heimat im Zusammenhang mit dem Bau verwalten möchte?

Ehrlich gesagt, man ahnt nichts Gutes, denn die Initiative kommt ja aus einer politischen Ecke, die sich in letzter Zeit redlich darum bemüht zu haben scheint, dem Populismus mit gleicher Währung Stimmen abzujagen, und man vermutet, dass mit Heimat nicht der quasi-ideale Sehnsuchtsort gemeint ist, der uns den Begriff ebenso wertvoll wie wenig greifbar erscheinen lässt, sondern ein festgeschriebenes Bild, das helfen soll, zwischen gut und schlecht, Recht und Unrecht, Deutsch und Nicht-Deutsch zu unterscheiden.

Mit Heimat ist die Summe „zahlloser Lebensgeschichten, das Schlachtfeld der Gefühle“ gemeint, sagt Edgar Reitz, der Regisseur der großartigen Fernsehserie, die den Titel Heimat trägt. Heimat ist bei seinen Charakteren einerseits eine diffuse Verwurzelung in der Landschaft (in diesem Fall dem Hunsrück), die sie ein Leben lang mit sich herumtragen, selbst wenn sie in ferne Länder auswandern. Andererseits wird diese kollektive Befindlichkeit der Heimat durch zweierlei Entwicklung erschüttert bzw. differenziert. Einerseits durch den individuellen Lebensweg, das Schicksal, das jeder Protagonist oder jede Protagonistin erfährt, durch die Menschen, die sie treffen, die Milieus und Landschaften (im weitesten Sinne), in denen sie unterwegs sind. Andererseits ist es die unaufhaltsame Veränderung des jeweiligen Geburtsortes selbst, die das Bild der Heimat immer ferner und quasi nebliger werden lässt. Der Wunsch nach Verwurzelung, nach Zugehörigkeit ist ein Grundbedürfnis, das wahrscheinlich immer mehr enttäuscht wird, je länger ein Mensch einen Lebensweg geht, auf dem diese Sehnsucht nach Verankerung nicht erfüllt wird. Je größer die Entwurzelung desto größer wohl das Bedürfnis nach Affirmation und Kompensation.

Die gebaute Umwelt wird von vielen als ein solches affirmatives und kompensatorisches Phänomen gesehen und instrumentalisiert, und es ist in der Tat eine Frage, mit der wir uns als praktizierende Architekten auseinandersetzen müssen, nämlich inwieweit die von uns entworfenen und gestalteten Räume dazu taugen, auf diesem „Schlachtfeld der Gefühle“ zu wirken. Natürlich gelten in diesem Zusammenhang auch immer die Gleichungen alt=gut und neu=befremdlich. Wenn wir aber glauben, das Bedürfnis nach Heimat durch einen künstlich wieder hergestellten „guten“, historischen Zustand befriedigen zu können, machen wir es uns zu leicht. Denn selbst mit den besten denkmalschützerischen und restaurationstechnischen Bemühungen kann man etwas Altes nicht neu synthetisieren; und selbst wenn es im Falle eines einzelnen Gebäudes oder Gebäudeensembles gelingen würde, es ändert sich ja auch der Kontext, in dem diese Häuser stehen. Und ganz so, wie ein altes Haus sich für jede Generation in seiner Bedeutung wandelt und immer wieder an neue Anforderungen angepasst werden muss, wäre das synthetisierte Historische in einem zeitgenössischen Kontext plötzlich das Fremde.

Das lässt sich im Augenblick sehr schön an der neuen Frankfurter Altstadt beobachten: Dieses Ensemble von quasi-rekonstruierten Gebäuden taugt eher weniger zur Herstellung von Heimat als jedes andere moderne Haus in der Nachbarschaft, denn zunächst trennt ihr offensichtlich exklusiver und symbolischer Charakter sie von den Menschen, die tatsächlich in Frankfurt leben, und darüber hinaus deutet die Vielzahl von Touristen, viele davon Asiaten, darauf hin, dass sich offensichtlich etwas Grundsätzliches geändert haben muss an diesem vermeintlichen Brennpunkt lokaler Identität und traditionellem urbanen Lebens. Es wird der Stadt eben nicht „Herz und Seele zurückgegeben“ wie Frankfurts Oberbürgermeister spekulierte, sondern ein Simulacrum aufgebaut, ein Bild, das die Frage nach der eigenen Identität in der Manier eines Reiseführers beantwortet und damit alle Zweifel und offenen Fragen überspielt – unter anderem natürlich auch die nach dem tatsächlichen Verlauf der Geschichte. Die Sehnsucht nach Heimat wird hier nicht gestillt, sondern mit einfachen Antworten betäubt und im ungünstigsten Fall instrumentalisiert, um Entwurzelungsängste in andere Richtungen lenken zu können.

Eine ähnliche Problematik zeichnet sich am Humboldtforum in Berlin ab. Hier wurde die einmalige Jahrhundertchance vertan, den (durchaus brauchbaren) Rohbau des Palasts der Republik nach seiner Dekontaminierung umzubauen. Dieses „Centre Pompidou“ der ehemaligen Hauptstadt der DDR hätte man ohne große Probleme an eine neue Existenz anpassen und ggf. mit einem Neubau erweitern können. Das Ergebnis hätte auch auf symbolischer Ebene getaugt, denn ein Hybrid aus unmittelbarer – zugegebenermaßen auch schwieriger – Geschichte und einem neuen Anfang hätte der Situation, in der wir uns immer noch befinden, ziemlich genau entsprochen. Sowohl die graue Energie des Bestandsbaus wie die an dieser Stelle aufgehäufte kulturelle Energie hätte man erhalten und upcyclen sollen. Hier hätte man das Schlachtfeld sublimieren können, auf dem die widersprüchlichen Gefühle deutscher Identität gemeinsam vorhanden sind.

Stattdessen haben wir heute eine Collage aus Historienkulisse und Langeweile, die sich zumindest als Bauwerk niemandem zur Identifikation wirklich anbietet. Man kann nur hoffen, dass ein exzellentes Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm bald über diese Schwäche hinweghelfen und kulturelle Präsenz dazu beitragen wird, dass dieser Ort von vielen Menschen mit Aspekten dessen verbunden werden kann, was sie mit ihrer Heimat assoziieren.

Man fragt sich natürlich, warum sowohl das Schloss als auch die Frankfurter Altstadt anscheinend so viele begeisterte Unterstützer haben, ob man mit der eigenen Einschätzung nicht falsch liegt. Ich will diese Option natürlich überhaupt nicht ausschließen, möchte aber auch eine andere Begründung anbieten: Ich vermute, dass die Attraktion dieser Orte nicht einem tief empfundenen Gefühl der Verwurzelung, sondern eher dem spektakulären Affekt des großen, teuren und ungewöhnlichen Projektes zu verdanken ist und dass natürlich die Presseaufmerksamkeit ein Übriges tut. Ich fürchte, dass zukünftige Generationen auf diese Phänomene mit leichter Befremdung sehen werden, so wie wir heute vielleicht mit distanziertem Kopfschütteln die Auswüchse des Wilhelminismus zur Kenntnis nehmen.

Vielleicht müssen wir einsehen, dass Symbolarchitektur ohnehin nicht mehr zum Heimatmaterial taugt als jedes andere Element, das wir der gebauten Umwelt hinzufügen. Heimat entsteht in den Räumen des Alltags.

Mir kam in diesem Zusammenhang Cem Özdemirs fulminante Rede im Bundestag wieder in den Sinn, die er anlässlich der Freilassung von Deniz Yücel gehalten hat. Er wandte sich an die Abgeordneten der AfD u. a. mit den folgenden Worten: „Ihr tobender Mob wollte mich ja am Aschermittwoch abschieben. Das geht leichter als Sie sich das vorstellen: Am kommenden Samstag bin ich wieder in meiner Heimat. Ich flieg nach Stuttgart, dann nehme ich die S-Bahn und ich lande am Endbahnhof Bad Urach, da ist meine schwäbische Heimat und die lass ich mir von Ihnen nicht kaputtmachen.“

Zwei Dinge entnehme ich diesem Clip, dem man natürlich nur bedingt Allgemeingültigkeit zuschreiben sollte: Es scheint Biographien zu geben, in der mehr als eine Heimat vorkommt. Wenn Özdemir von seiner schwäbischen Heimat spricht, vermutet man, dass es möglicherweise auch noch eine weitere am Geburtsort seiner Eltern geben könnte. Und damit würde er ja nicht alleine stehen. Viele deutsche Staaten waren schon Einwanderungsländer, bevor sie überhaupt zu Deutschland gehörten, und es steht zu vermuten, dass das „Schlachtfeld der Gefühle“ für viele Deutsche an mehreren Orten zu suchen ist. Und wenn man nun bei Cem Özdemir nach konkreten Anhaltspunkten sucht, was denn seine schwäbische Heimat ausmacht, so ist zunächst interessant, dass er in seiner spontanen Beschreibung (neben den demokratischen Grundwerten des Staates, die in der Rede vorher bereits ausdrücklich benannt worden waren), als Erstes den innerdeutschen Flug nach Stuttgart und die Reise in der S-Bahn assoziiert.

Das lässt vermuten, dass es wahrscheinlich eher die Alltagserlebnisse sind, die Menschen aus diverser Herkunft zusammenführen. Sie formen einen gemeinsamen Nenner, der das Gefühl einer Gemeinschaft aufkommen lassen könnte, was letztlich als Basis für das Gelingen unseres Gemeinwesens so wichtig ist. Meine Hypothese wäre in diesem Zusammenhang also, dass die immer wiederkehrende Reise in der S-Bahn wahrscheinlich mehr integrative Kraft entfaltet als ein Besuch einer rekonstruierten Altstadt oder eines Schlosses, wenn wir überhaupt meinen, dass die gebaute Umwelt einen Anteil hat am Heimatsgefühl und die Grundwerte unserer Gesellschaft verkörpern kann.

Ich muss zugeben, ich finde die Idee, dass Heimat und Bauen irgendwie zusammen gehören, eine sehr attraktive Vorstellung. Die Erkenntnis, dass die Stadtlandschaft aus Infrastruktur, Häusern, Räumen und Atmosphären die Vorstellungen und Befindlichkeiten der Menschen ebenso entscheidend beeinflusst wie die natürliche Landschaft aus Topographie, Fauna, Flora und Klima – diese Erkenntnis halte ich für wesentlich, um die Wichtigkeit und den Wert von Bauen in der Welt zu verstehen und entsprechend zu agieren. Diese Erkenntnis hilft auch zu verstehen, dass man das Bauen nicht als ein Werkzeug der Abgrenzung und kulturellen Reduktion sehen darf, sondern als ein Vehikel der Öffnung, der Vernetzung, der Toleranz und Großzügigkeit, so weit das eben geht.

Heimat entsteht durch Identifikation und Identifikation entsteht durch Teilhabe, durch Nutzung und durch Mitmachen. Und zu beidem, dem Nutzen und Mitmachen sowie der Teilhabe bietet Architektur und Bauen reichlichen Raum und Anlass. Aber der Gestaltungswille allein ist noch kein Beitrag zur Verbesserung. Das Engagement für die gebaute Umwelt muss letztlich der gemeinsamen Sorge um die Zukunft entspringen, wenn es etwas zur Heimat auch zukünftiger Generationen beitragen soll, womit wir wieder am Anfang meiner kleinen Rede wären. Der größte Beitrag, den wir aktuell für zukünftige Generationen leisten können, ist die Eindämmung übermäßigen Ressourcenverbrauchs und die Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels. Und wenn wir beim Bauen feststellen, dass es mit Leistungsoptimierung nicht getan ist, sondern die graue Energie eine wesentliche Rolle in der Bilanz eines Gebäude-Lebenszyklus spielt, so müssen wir unsere Kreativität und Innovationskraft dafür einsetzen, unsere Entscheidungs- und Verhaltensmuster zu ändern, sei es zum Beispiel durch den Einsatz von Baustoffen mit geringerem CO2-Abdruck und/oder der besseren Wiederverwendbarkeit neuer Baustoffe.

Das Umweltfreundlichste wäre natürlich, wenn man ganz auf das Bauen verzichten würde, und deshalb gehört der respektvolle Umgang mit existierender Bausubstanz ebenso zu diesem Programm zur Nachhaltigkeit wie die Adaption vorhandener Bauten. Dieser Respekt ist allerdings nicht nur eine technische sondern vor allem auch eine kulturelle Leistung. Der jahrelange Schlachtruf der konservativen Kollegen, „die Stadt müsse nicht neu erfunden werden“, der in der Regel vom Abriss moderner Nachkriegsbauten und der Errichtung historisch anmutender Neubauten im Sinne der sogenannten europäischen Stadt gefolgt war, muss qualifiziert werden. Die Stadt ist kein End-Zustand sondern ein lebender Organismus, der sich ständig weiterentwickelt. Jede Generation leistet ihren Beitrag zu dieser Weiterentwicklung, und wir tun gut daran, uns nicht in ideologischer Rechthaberei zu erschöpfen, sondern alle vorhandenen Energien und Ressourcen zu bündeln und so zu lenken, dass – unter Verwendung des Vorgefundenen – Probleme und Aufgabenstellungen der Gegenwart bewältigt und allfällige Optimierungspotentiale genutzt werden.

Natürlich ist der Erhalt bestehender Substanz dabei ein Imperativ, aber viele dieser aktuellen Herausforderungen werden bei allem Respekt vor akkumulierter Lebensenergie durch Nichtstun nicht bewältigt werden. Letztlich brauchen wir eben doch die eine oder andere Erfindung, die dann zum Neubau bestimmter Aspekte der Stadt führen wird. Ich nenne nur Stichworte wie die Verbesserung der Luft, Reinhaltung von Gewässern und Böden, die Energiewende, veränderte Formen von Mobilität, die Auswirkungen der digitalen Infrastruktur auf den öffentlichen Raum, die Notwendigkeit der Verdichtung der Städte und der Erhalt einer umfassenden grünen Infrastruktur sowie die offensichtliche Veränderung sozialer Beziehungen u. a. durch die Veränderung der Arbeit.

Darüber hinaus ist unsere spezielle Aufgabe als Gestalter die kontinuierliche Bemühung um den Erhalt der gebauten Umwelt als sinnlich und ästhetisch anregenden und geistig stimulierenden Ort. So viele Situationen in unseren Städten sind einfach dumpf, lieblos, befremdlich und alles andere als einladend. Dieser Entropie des zivilen Geistes eine ständige Bemühung um Qualität für die Allgemeinheit entgegen zu halten, wird uns als Herausforderung auch in der Zukunft erhalten bleiben. Dies gilt insbesondere angesichts der zunehmenden Systematisierung von Bauprozessen.

Dennoch, der Umbau, die respektvolle Adaption des Vorgefundenen, der sinnvolle Einsatz bestehender Energien sind gute Leitbilder und passende Metaphern für den Umgang mit der gebauten Umwelt insgesamt. Die Beschäftigung der Menschen mit diesem Umbau wird dabei emotionale Bindung und Identifikation hervorrufen. Die Qualität von Orten alltäglichen Aufenthalts wird das Heimatbild zukünftiger Generationen prägen.

Heimat kann letztlich nur etwas sein, was tatsächlich an den Menschen nah dran ist; Heimat kann man nicht simulieren, Heimat ist individuell, aber man muss sie auch teilen. Heimat mag grundsätzlich eher mit Immobilem assoziiert werden, was den Gegenpart zu der komplexen gesellschaftlichen Dynamik abgibt, die die Menschen verwirrt. Heimat kann sich aber dennoch nicht im Beharren erschöpfen. Gerade der Erhalt der Werte, die uns verbinden, bedarf vielfach der Anpassung vorhandener Situationen an neue Kontexte.

Die Pflege der Heimat bedarf der permanenten Zuwendung, eines sensiblen Erfindungsgeistes, der Klugheit und der Offenheit.

 

Vortrag anlässlich des Konvents der Bundesstiftung Baukultur „Erbe – Bestand – Zukunft“, Potsdam 2018