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Der Neubau für das Umweltbundesamt ist als beispielhaftes Projekt ökologischen Bauens geplant worden. Aktive und passive Maßnahmen zur Einschränkung von Energieverbrauch und Kohlendioxid-Ausstoß werden mit einer Architektur kombiniert, die eine entsprechende räumliche und materielle Ökonomie mit der bewussten Stimulation der Sinne verbindet.

Der Standort auf der Brache des Dessauer Gasviertels ist unter dem Gesichtspunkt des nachhaltigen Städtebaus ausgewählt worden. Kontaminierte Flächen wurden saniert, die Bestandsbauten des Wörlitzer Bahnhofs und einer alten Gasgerätefabrik wurden in den Komplex integriert. Die Form des Neubaus wurde so gewählt, dass ein Großteil des Grundstücks der Öffentlichkeit als Park zur Verfügung steht. Man betritt das neue Gebäude über das «Forum», das diesen Park ins Gebäude «hineinzieht». Vom Forum aus werden die öffentlichen Bereiche des Amtes wie etwa die Bibliothek und der Hörsaal erschlossen. Der Rest des Komplexes wird über das an das Forum anschließende, überdachte Atrium betreten.

Das Gebäude verbindet eine kompakte Gesamtform und hohe Außenwanddämmung mit Strategien intelligenter Haustechnik und dem Einsatz erneuerbarer Energien. Es verfügt über einen sehr großen Luft-Erdwärmetauscher sowie über eine Fotovoltaikanlage und thermische Solarkollektoren. Die zum Einsatz kommenden Baumaterialien wurden nach ökologischen Gesichtspunkten ausgesucht, so zum Beispiel die in dieser Größenordnung und Nutzung für Deutschland prototypische Holz-Elementfassade.

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Essay

Matthias Sauerbruch

Das Forum ist ein überdachter Teil des öffentlichen Freiraums, zugänglich für jedermann. Einerseits dient es als Foyer für alle öffentlichen Einrichtungen des Amtes: die Bibliothek, den Ausstellungs- und den Informationsbereich, den Hörsaal und die Rezeption. Andererseits ist es selbst Veranstaltungsort für Vernissagen, Empfänge, Feste und ähnliche Anlässe.

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Im Erdgeschoss wird das Büroband im Atrium- und Forumbereich von Sonderräumen, den so genannten „Felsen“, unterbrochen. Sie werden als Teil der Parklandschaft gesehen und sind in scharriertem Sichtbeton ausgeführt. In diesen massiven Körpern sind spezielle Einrichtungen wie die Hausdruckerei, Registraturen, Archive usw. untergebracht.

In dem größten frei stehenden „Felsen“ im Forum befindet sich der Hörsaal. Er bildet wie auch die Kantine und der Anbau des Wörlitzer Bahnhofs ein Element des Parks. Seine Grundrissform nimmt den Bewegungsfluss des Außenraums auf, vermittelt zwischen dem offenen und dem glasüberdeckten Bereich des Forums und führt in die Tiefe des Gebäudes hinein. Der Hörsaal wird vom Forum aus erschlossen. Sein Innenraum ist von einer akustisch verkleideten Wand umgeben, die tief genug ist, um Nebenfunktionen wie die Regie- und Dolmetscherkabinen aufzunehmen.

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Der geschlossene Hofbereich wird Atrium genannt. In das Atrium gelangt man nur über eine Sicherheitskontrolle. Der große wettergeschützte Raum dient der internen Öffentlichkeit des Hauses. Er bildet das „Herz des Amtes, ein großzügiger Erschließungsraum, ein visueller Fokus sowie ein Ort, an dem man sich trifft und auf informelle Art miteinander kommunizieren kann.

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Die Erschließung des 800 Arbeitsplätze umfassenden Amtes folgt dem Muster eines Baumes: Die „Wurzel“ ist das große Forum. Von dort führt der „Stamm“ in das anschließende Atrium, das in vier Abschnitte gegliedert ist. Zwischen diesen Abschnitten breiten sich jeweils drei Brücken wie „Äste“ nach links und rechts in die einzelnen Fachbereiche des Umweltbundesamtes aus. Am Ende der Brücken befinden sich zu „Brückenköpfen“ ausgebildete Empfangsbereiche für die jeweiligen Fachbereiche, die sich von dort wieder zu beiden Seiten hinverzweigen. Während die Brücken in ihrer Lage feststehen, können die Grenzen zwischen den einzelnen Fachbereichen dem sich ständig ändernden Bedarf angepasst werden.

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Die Bibliothek des Amtes ist im „Altbau 109“ und einem neuen eingeschossigen Zwischenbau untergebracht, der die ehemalige Fabrik und das Dienstgebäude miteinander verbindet. Der Altbau wurde entkernt und mit einem dreigeschossigen „Hochregal“ aus Beton gefüllt. Die Fassade wurde renoviert. Das Dach des eingeschossigen Zwischenbaus steigt vor dem Altbau auf circa 15 Meter an und ragt über dessen bestehendes Dach hinaus, so dass ein 8 Meter breiter und 14 Meter hoher, von oben belichteter Raum entsteht, der den eingeschossigen Bibliotheksraum mit dem dreigeschossigen „Hochregal“ verbindet. Vom Zwischenbau hat man über die zahlreichen Öffnungen der rekonstruierten Nordfassade Einblick in alle drei Altbaugeschosse, die sich mit Fenstern und Lesebalkonen zum Hauptraum hin öffnen. Durch das ansteigende Profil des Zwischenbaus entsteht ein Konvektionsraum, der die natürliche Durchlüftung der Bibliothek erlaubt. Von außen bildet der Zwischenbau eine deutlich wahrnehmbare Skulptur, die die Verbindung zwischen dem alten und dem neuen Gebäude inszeniert. Ihre leicht verfremdete Backsteinhaut greift die Materialsprache der bestehenden Industriearchitektur auf.

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Aufgabe

  • Neubau eines Dienstgebäudes mit öffentlichem Hörsaal, Bibliothek und Restaurant

Bauherr

  • Bundesrepublik Deutschland

Daten

  • Bruttogeschossfläche: 41.000 m²
  • Wettbewerb: 1998, 1. Preis
  • 2002 — 2005

Auszeichnungen

  • Nationaler Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur 2009
  • Zumtobel Group Award 2007, lobende Erwähnung
  • Mies van der Rohe Award 2007, ausgewählte Arbeit
  • RIBA Award 2006
  • Balthasar-Neumann-Preis 2006, Anerkennung
  • Holzbaupreis 2006
  • Deutscher Architekturpreis 2005, Auszeichnung

Zertifizierungen

  • DGNB Zertifikat ‘Gold’

Projektteam